Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit

von Peter Turrini nach Beaumarchais

Die triumphale Intrigen-Komödie aus den Vorwehen der Französischen Revolution bietet in dieser Version von Peter Turrini statt süßlicher Opernseeligkeit geschliffenen Wortwitz und turbulenten Overdrive. Graf Almavivas „Recht der ersten Nacht“ scheint die #MeToo Debatte bereits vorweggenommen zu haben. Reichen Susannes und Figaros Witz als Waffe da noch aus?

Regie und Bearbeitung:
Andreas Erfurth & Kai Frederic Schrickel
Regieassistenz und Co-Regie: Nora Backhaus
Bühnenbild: Susanne Füller
Kostüme: Hannah Hamburger
Musikalische Leitung und Einstudierung:
Bettina Koch & Anton Nissl
Choreografie: Dominik Büttner
Schauspieler*innen: Maxim Agné, Andreas Erfurth, Rike Joeinig, Marius Mik, Kai Frederic Schrickel, Martin Radecke, Magdalena Thalmann und Laurenz Wiegand

Produktion: Neues Globe Theater Potsdam
Premiere: am 1. August 2020, Schirrhofnächte Potsdam


Konzeption

Das Thema des Widerstandes gegen ungerechtfertigte Machtausübung, Ausnutzung von Abhängigen, sexuelle Übergriffigkeit gegenüber Schwachen und Machtlosen, ist durch die Beispiele der letzten Jahre im Zuge der #MeToo-Debatte so aktuell wie ehedem. Mit Hilfe der „Komödie“ verwandelt Turrini hier diesen Stoff in eine Geschichte darüber, wie man wieder Herr oder Frau über sich selber werden kann – denn das Stückende hat er in spektakulär deutlicher Weise geändert: Graf Almaviva wird von Figaro erwürgt. In der Inszenierung und Bearbeitung von Andreas Erfurth und Kai Frederic Schrickel richtet Susanne allerdings konsequenter weise selbst den Grafen – mit der Pistole. Somit ist die Bearbeitung auch ein entschiedener Gegenentwurf zur lieblich säuselnden Opernbearbeitung des Stoffes von Mozart und fordert den Zuschauer heraus, Haltung zum Geschehenen zu beziehen

„Laster, Missbrauch und Willkür ändern sich nicht, sondern verstecken sich unter tausend Formen hinter der Maske der herrschenden Sitten: Diese Maske herunterzureißen ist die edle Aufgabe dessen, der sich dem Theater verschreibt.“ Beaumarchais.

AUSZÜGE AUS DEM INTERVIEW MIT PETER TURRINI FÜR DAS NEUE GLOBE THEATER, JÄNNER 2020

Salman Rushdie hat Ihnen anlässlich eines gemeinsamen Besuchs eines Weinkellers gesagt: „Fundamentalisten haben keinen Humor.“ Hätten wir mit mehr Humor eine bessere Welt? Oder anders gefragt: Ist die Welt mit Komödie noch zu retten?

Peter Turrini: Die Welt ist und bleibt eine Tragödie und der Mensch ebenso. Ich nehme mich selbst als Beispiel: Ich werde immer älter und hinfälliger. Also kaufe ich mir zwei Stecken und mache „Nordic Walking“, damit ich durch eifrigen Sport dem Tod entrinne. Vor kurzem habe ich bemerkt, dass auch der Tod auf „Nordic Walking“ umgestellt hat und mich verfolgt. Sie sehen, es gibt kein Entrinnen. In der Tragödie wohnt auch immer eine Komödie, deshalb schreibe ich ja Tragikomödien.

„Theater wohnt im Bauch, und wenn es besonders edel ist, in den Genitalien.“ Der gesamte Hofstaat im Tollsten Tag scheint nur Sex im Kopf zu haben, den er auf Kosten der Abhängigen ausleben kann. Sie haben das Stück in den 70er Jahren geschrieben, wie wichtig war für Sie dabei das Thema „Sexuelle Befreiung und sexuelle Revolution“?

P.T: Damals habe ich in einer Wohngemeinschaft am Rande Wiens gelebt und wir hatten nichts anderes im Kopf, als die Befreiung des Menschen, und die sollte mittels sexueller Freizügigkeit herbeigeführt werden. Das war in der Praxis dann ein bisschen komplizierter und vor allem langwieriger, als wir uns das dachten. Aber im Grundsätzlichen lässt sich folgendes aus meiner Sicht sagen: Die Menschen sind ja völlig eingemauerte Wesen voller Sehnsucht, und die einzige Form, diese Mauern zu durchbrechen, ist die Sexualität. Sie überwindet ja alle Schranken, die Klassenschranken, die Geschlechterrollen, sogar die Geschmacksgrenzen. Oder würden Sie bei vollem Bewusstsein einem anderen Menschen die Zunge in den Mund stecken? Die Liebe ist eine einzige Anarchie und funktioniert am besten, wenn sich zwei Anarchisten treffen.

Wir nehmen die sexuelle Übergriffigkeit des Grafen (und der anderen Rollen) bewusst auf. Heute kann ein Präsident Trump sich ungeniert mit „Pussy-Grab“ brüsten und „Macht“ mit „Recht“ gleichsetzen. Ist Ihr TOLLSTER TAG mittlerweile auch ein Statement im Rahmen der aktuellen #MeToo-Debatte?

P.T: So weit blickend war ich ja nicht, aber ein Punkt ist damals wie heute entscheidend: Ist die Liebe ein Kind der Freiheit, des gegenseitigen Übereinkommens oder der Macht, der Ausbeutung? Der Graf will seine sexuelle Lust durch Macht erzwingen, insofern ist ein Vorläufer von Harvey Weinstein.

Premiere am 1. August 2020, Schirrhofnächte Potsdam

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Pressestimmen (Auswahl): PNN (Potsdamer Neueste Nachrichten)WAZ (Wolfsburger Allgemeine)



Pressefotos

Plakat- und Programmheftfotos


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