Leben Eduards des Zweiten von England
von Bertolt Brecht, nach Marlowe
Die Wiederentdeckung eines frühen Brecht-Stücks (nach einer Vorlage des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe) über den unglücklichen König Eduard und seinem Geliebten Gaveston. Ein Plädoyer für die Freiheit eigener Lebensentwürfe auch unter gesellschaftlichem Druck. Ein wortgewaltiges, sinnliches und selten gespieltes Drama über Ausgrenzung, Tyrannei und Königsmord.
Eingeladen 2021 zum Shakespeare Festival Neuss.
Regie: Kai Frederic Schrickel
Ausstattung: Hannah Hamburger
Regieassistenz: Falk Strehlow
Schauspieler*innen: Maxim Agné, Andreas Erfurth, Alexander Jaschik, Marius Mik, Mark Harvey Mühlemann, Magdalena Thalmann und Laurenz Wiegand
Produktion: Neues Globe Theater Potsdam
Premiere: 13. Juni 2017 im T-Werk Potsdam
Link zur Inszenierung auf der Homepage des NEUEN GLOBE THEATERS hier >>
Entstehung des Stücks
Bertolt Brecht schrieb dieses sehr selten gespielte Drama 1924 zusammen mit Lion Feuchtwanger, anlässlich seiner allerersten Regiearbeit an den schon damals berühmten Münchner Kammerspielen. Ursprünglich sollte er Shakespeares Macbeth dort inszenieren, auf Anraten Feuchtwangers entschied man sich aber für Christopher Marlowes Stück The Troublesome Reign and Lamentable Death of Edward the Second (1592), das als direkter Vorläufer für Shakespeares Charakterdramen, vor allem Heinrich VI., Richard II. und Richard III. angesehen wird. Weil Brecht die damalige, durchweg im Blankvers gehaltene Übersetzung nicht zufriedengestellt hatte, griff er zusätzlich auf Marlowes Original zurück und schrieb das Stück in der Folge sozusagen neu. Brecht selbst betonte später, dass seinen Eduard „die Anfänge einer neuen Bühnensprache“ bemerkenswert machten.
Einige grundlegende Entdeckungen des epischen Theaters machte Brecht bereits mit diesem frühen Werk seiner vormarxistischen Schaffensphase. Zum Beispiel die von Karl Valentin initiierte kreideweiße Maske der Soldaten, um den Terror und die Müdigkeit des Krieges zu suggerieren. Weil: „Furcht hams, blass sans.“ Die Geburtsstunde des Brecht’schen Verfremdungseffektes! Auch tritt in Brechts Eduard, wie übrigens bereits im Marlowe’schen Original, die historische Handlung hinter die individuell handelnden Charaktere zurück. Der später für das epische Theater prägende Begriff der zu spielenden Fabel, der Handlung die etwas „bedeutet“, wird hier zum ersten Mal angewendet.
Brechts Stück übertrifft Marlowes in Tiefe und dramatischem Handwerk bei weitem. Sein dramatisches Genie ist voll am Werk und zeigt die Sinnlosigkeit menschlichen Ehrgeizes und die blinden Verdrehungen des Schicksals. Die dramatische Virtuosität dieser Tragödie ist unverkennbar. Trotzdem hat Brecht nie wieder in solch tragischer Weise geschrieben! Interessanterweise wurde Brecht nie dafür belohnt, dass er der erste große Dramatiker war, der eine schwule Geschichte in einem modernen Stück in den Mittelpunkt stellte.
Ein wortgewaltiges, großes und selten gespieltes Drama von Brecht mit einer heute noch aktuellen und überraschend modernen Fabel über die Unmöglichkeit, in gewissen gesellschaftlichen Zwängen seine sexuelle Orientierung auszuleben, ohne dafür an den Pranger gestellt zu werden. Ein Stück über Männer, die keine „echten“ Männer sein können, über Frauen, die von Opfern zu Tätern mutieren und über Politiker, die zu Tyrannen werden.
Meine Inszenierung verortet Bertolt Brechts Leben Eduards des Zweiten von England zeitlich und räumlich im Hier und Jetzt, wie schon im elisabethanischen Theater üblich: Auch damals spielte man in den Kostümen der Zeit (damals in denen der Renaissance) und in nur angedeuteten Bühnenbildern, die den Zuschauern die Übertragung in die Gegenwart erleichtern sollten.
Gefördert durch die Landeshauptstadt Potsdam.
Ein Interview mit B. K. Tragelehn, welches anlässlich meiner Inszenierung von Bertolt Brechts LEBEN EDUARDS DES ZWEITEN VON ENGLAND geführt wurde, finden Sie hier >>