Mephisto

Schauspiel nach dem Roman von Klaus Mann
Fassung für das Berliner Ensemble von Till und Chris Weinheimer
Bearbeitung von Kai
Frederic Schrickel


Mephisto, 1936 im Exil geschrieben, wird als Schlüsselroman über den Schauspieler Gustaf Gründgens angesehen. Es handelt sich aber, laut Mann, „um kein Portrait, sondern um einen symbolischen Typus“: Ein Schauspieler im Konflikt zwischen Karriere und Gewissen. Die Verfilmung mit Klaus-Maria Brandauer erhielt 1981 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.


Regie und Raum: Kai Frederic Schrickel
Kostüme: Hannah Hamburger
Musikalische Leitung: Bettina Koch
Choreografie: Annette Reckendorf
Regieassistenz: Anja Lemmermann
Regiehospitanz: Moritz Gehrckens
Technik: Kai Dommert
Fotos: Philipp Plum
Grafikdesign: Annette Conradt
Theaterpädagogisches Material: Jessica von Wehner

Schauspieler: Laurenz Wiegand, Martin Radecke, Jessica von Wehner, Nora Backhaus, Andreas Erfurth und Marco Litta
Musiker: Bettina Koch und Anton Nissl

Produktion: Neues Globe Theater Potsdam.
Premiere: 19. Mai 2023 im T-Werk Potsdam.

Aufführungsrechte: NEUES GLOBE THEATER GbR.


Inhalt:

DER PAKT MIT DEM TEUFEL

Erzählt wird die (fiktive) Geschichte des Schauspielers Hendrik Höfgen, von 1926 am Hamburger Künstlertheater bis zum Jahre 1936, als dieser es zum gefeierten Star des sogenannten Dritten Reiches gebracht hat und zum Intendanten des Berliner Staatstheaters ernannt wird.

Höfgen, der sich erst spät mit den Machthabern des Nationalsozialismus arrangiert und im Ensemble offen den Konflikt mit seinem Nazi-Kollegen Hans Miklas sucht, flüchtet zunächst nach Paris. Lotte Lindenthal, die Frau des „Fliegergenerals“ und Ministerpräsidenten, selbst eher eine mittelmäßige Schauspielerin, wünscht sich Höfgen jedoch als Partner für ihr Berliner Debüt am Staatstheater und kann ihren Mann, „den Dicken“, überreden, Höfgen zurück nach Berlin zu holen. 

Als leidenschaftlicher Schauspieler, dem die Rolle des Mephisto in Goethes Faust wie auf den Leib geschnitten ist, erkennt der Opportunist Höfgen erst viel zu spät, dass er tatsächlich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Fast alle Menschen, die ihm etwas bedeuten, wird er bei diesem freien Fall in den moralischen Abgrund verlieren: seine*n Geliebte*n Juliette, seine Frau Barbara, seinen kommunistischen Freund Otto. Einzig die Schauspielerin und Seelenverwandte Nicoletta wird zu ihm halten, mit der er eine Zweckehe eingegangen ist, um der Verfolgung wegen seiner sexuellen Neigungen zu entgehen.

Am Ende ist Hendrik zu einem „Affen der Macht“ geworden, zu einem „Clown zur Zerstreuung der Mörder“. Ein Schauspieler, zerrissen zwischen Karriere und Gewissen. Gipfelnd in dem berühmten Satz:

„Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler!“

Das NEUE GLOBE THEATER bringt „Mephisto“ revuehaft als “Tanz auf dem Vulkan” im Zerrspiegel eines politischen Kabaretts der 1920/30er Jahre mit Livemusik und Conferencier auf die Bühne. 


FOTOS
(c) Philipp Plum


Probenfotos
(c) Philipp Plum


PR-Pressefotos
(c) Philipp Plum


Konzept:

Wes‘ Brot ich ess…

Der neuen Bühnenfassung liegen zwei Statements von Klaus Mann zu seiner Romanfigur Höfgen zu Grunde, die unterschiedlicher nicht sein können: Einerseits spricht er in einem Telegramm 1936 (Titel: „Kein Schlüsselroman“) von einem „symbolischen Typus“ und dass es sich bei der Romanfigur Höfgen um kein „Portrait“ handele, andererseits stellt er in seiner Biografie („Der Wendepunkt“, Erstausgabe 1952) klar, dass die Idee zu diesem Roman vom Schriftsteller Hermann Kesten an ihn herangetragen wurde, der vorgeschlagen hatte, „den Roman eines homosexuellen Künstlers im dritten Reich“ mit der Person Gustaf Gründgens zu verknüpfen.

Klaus Mann wollte oder konnte dieses Sujet, vielleicht auch um sich selbst zu schützen, im Roman nicht 1:1 umsetzen und thematisierte stattdessen, sozusagen als wunden Punkt Höfgens, die sogenannte “Rassenschande“ in Gestalt einer afrodeutschen Geliebten. Eine Spiegelung Klaus Manns, die wir durch die Besetzung dieser Rolle mit einem Mann versuchen wollen, herauszuarbeiten. Im Zentrum der neuen Bearbeitung steht aber nach wie vor der sich immer mehr isolierende Hendrik Höfgen, der nach und nach alle wichtigen Menschen, Geliebte wie Freunde, um sich herum durch seinen Opportunismus und unbedingten Karrierewillen verliert.

Gründgens Bleiben in Nazi-Deutschland und seine Karriere als Görings Lieblingsschauspieler hat nachträglich betrachtet tatsächlich auch einige Leben gerettet (immerhin hat sich Ernst Busch nach dem Krieg für Gründgens eingesetzt), seine Entscheidung scheint aber aus der Perspektive von 1936 unhaltbar.

Durch Doppelbesetzungen und inhaltliche Fokussierung auf die Hauptfiguren sowie der zwei wichtigen, politisch radikalisierten Nebenfiguren, will das NEUE GLOBE THEATER mit einem sechsköpfigen Ensemble sowie zwei Live-Musikern die Geschichte von hin- und hergerissenen jungen Menschen und Künstlern erzählen, die in einem totalitären System vor der Entscheidung stehen, zu gehen oder zu bleiben – zu spielen oder zu schweigen. Oder zu schreien!


Klaus Mann (1906 – 1949), der älteste Sohn von Thomas Mann, begann seine literarische Laufbahn in der Zeit der Weimarer Republik als Außenseiter, da er in seinem frühen Werk Themen verarbeitete, die zur damaligen Zeit als Tabubruch galten. Nach seiner Emigration aus Deutschland im Jahr 1933 fand eine wesentliche Neuorientierung in der Thematik seiner Werke statt: Klaus Mann wurde zum kämpferischen Literaten gegen den Nationalsozialismus. Als Exilant nahm er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Die Neuentdeckung seines Werkes in Deutschland fand erst viele Jahre nach seinem Tod statt. Klaus Mann gilt heute als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschsprachigen Exilliteratur nach 1933. (Quelle: Wikipedia.)


»Man weiß ja, daß die großen Herren Sympathie haben für Komödianten.«

aus: Klaus Mann – Mephisto (1936)


Pressestimmen:

HIER >> Kritik der Premiere am 19. Mai 2023, PNN,

Auszug:
„Mephisto, der Komödiant Dieser Abend des Neuen Globe Theaters zeigt auf den ersten Blick, welche Stunde ihm geschlagen hat: Die des Kabaretts. Genauer: des „Cabarets“. Der Film, der Liza Minelli 1972 berühmt gemacht hat, stand hier deutlich Pate. Ein mal befrackter, mal in schwarzer Spitzenwäsche angetaner Conférencier (Martin Radecke) begrüßt mit „Willkommen, Bienvenue“ und wirft die Szenentitel in den Raum, Klavier und Schlagwerk peitschen das Geschehen voran, sogar die Kostüme bewegen sich irgendwo zwischen den 1970ern, als der Film acht Oscars einheimste, und den späten 1920ern. Der Zeit, in der Klaus Manns „Mephisto“ beginnt.
Der Roman von 1936 gilt als Schlüsselroman und wenig verklausuliertes Porträt des Schauspielers Gustaf Gründgens (1899-1963). Ein Mann, der als genialer Darsteller galt (Paraderolle: Mephisto) und zu einer Zeit, als viele Künstler:innen Deutschland verließen den umgekehrten Weg ging: Er wurde 1934 Intendant des Berliner Schauspielhauses. Bei Klaus Mann, der selbst mit Gründgens Kabarett gemacht hatte, heißt er Hendrik Höfgen. Und auch sonst wollte Mann das Ganze nicht als Porträt verstanden wissen, sondern symbolisch. „Der Mime triumphiert im Staat der Lügner und Versteller“, heißt es bei Mann. Und: Höfgen sei „kein Mensch, nur ein Komödiant.“
Das nimmt die Regie von Kai Frederic Schrickel beim Wort. Höfgen/Gründgens wird hier gespielt von Laurenz Wiegand, mit hingebungsvoller Lust an der Überzeichnung. (…) Dieser Höfgen ist kein Genie, kein Bösewicht, sondern ein Junge, der gefallen will. Er hat kein Rückgrat, aber Talent. Die schauspielerische Bandbreite von ernst bis verführerisch illustriert er behände, grimassiert, grinst ein Gründgens-Grinsen, schmettert ein Lied („Die Nach ist nicht allein zum Schlafen da“), tänzelt umher, wechselt im Stakkato die Kostüme, die Schminke, und findet bald auch, man müsse nicht politisch kämpfen, sondern Geduld haben. Alles ist Spiel und Gesang. Die ganze Bühne ist eine Bühne, oder ein Vorraum dafür: Schminktisch, Kantinentisch, Couch. Die Welt des Theaters. Es wird varietégerecht viel gesungen. (…)
Von Lena Schneider, PNN, 20.05.2023.